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Bauhaus ist mehr als moderner Stil

Ich sitze auf einer zeitlos schönen, geradlinigen Le Corbusier Couch, mit hochglanzpoliertem Edelstahlrahmen ganz vorne auf der Kante. Alles ist hier neu und ich will nicht diejenige sein, die erste Spuren hinterlässt. Vor mir steht ein van der Rohe Sessel mit passendem Hocker in schwarz-weißem Fell. „Es ist Kalbfell“, erklärt mir der Mann meiner Freundin stolz. Auch der Rest der Wohnzimmereinrichtung beeindruckt vor weißen Wänden, gemäß dem Stil des Hauses, im Bauhaus-Design. Es ist ein Traum aus unaufdringlicher, stiller Zurückhaltung und edlen Materialien. Riesige Fensterflächen geben mir das Gefühl mitten in ihrem wunderschönen Garten zu sitzen.

Alles ist äußerst funktional und mit strenger Linie auf das Nötigste reduziert. Das Haus wurde nach den Wünschen der zwei entsprechend der Grundidee der Meister-Bauhäuser in Dessau gebaut. Das heißt kubische Gestaltung, ökonomische Raumaufteilung und -erschließung, vertikale und horizontale Fensterbänder, außen weiß, innen nach ihren individuellen Wünschen farbig. Sie sind erst vor drei Wochen eingezogen. Noch hängen nicht alle Lampen und Bilder in ihrem Kubus, noch ist nicht alles perfekt. Aber das wird nicht mehr lange dauern. Beide strahlen mich an, sie haben ihren Stil gefunden. Die kubischen Bauten im Bauhausstil sehe ich in allden Neubaugebieten, durch die ich in letzter Zeit fahre.

Ihre Bewunderer, wie meine Freunde, schätzen die funktionale, strenge Bauweise. Doch es gibt auch andere Stimmen im Bekanntenkreis, die die „Bauklötze“ als schlicht und austauschbar empfinden. Die Meinungen werden wohl in den vergangenen 93 Jahren öfter gegensätzlich ausgefallen sein, denn das Bauhaus begann mit seinem Wirken Anfang der zwanziger Jahre. Walter Gropius eröffnete 1919 das Bauhaus als Kunsthochschule in Weimar. Es war sein Wunsch eine Einheit von Handwerk, Kunst und Technik zu schaffen, die die Voraussetzung für eine neue Baukunst bilden sollte.

Neben ihm lehrten bedeutende Künstler wie Ludwig Mies van der Rohe, Hannes Meyer, Georg Muche, Lyonel Feininger, Wassily Kandinsky und Paul Klee. Das Bauhaus war Deutschlands berühmteste Kunst- und Designeinrichtung der Klassischen Moderne. Die zwischen 1919 und 1933 entstandenen Arbeiten haben das Verständnis von Architektur und Design weltweit beeinflusst. 1925 musste die Hochschule aus politischen Gründen Weimar verlassen und zog nach Dessau. Neben dem Bauhaus als Schulgebäude entstanden auf Wunsch der Stadt weitere Häuser. Diese Meisterhäuser waren zugleich Wohnhäuser für die Künstler und Musterbauten. Nur sieben Jahre später und wieder aus politischen Gründen zog das Bauhaus nach Berlin um und schloss 1933.

Die Bauhausstätten in Dessau und Weimar nahm die UNESCO im Dezember 1996 in die Welterbeliste auf. In der offiziellen Begründung bestätigt die Kommission die revolutionären Ideen der Baugestaltung und damit die Bedeutung des Bauhauses im 20. Jahrhundert. Doch am Ende bleibt es immer eine persönliche Entscheidung, ob diese klare, strenge Linie gefällt, oder nicht.

 

Text: Ingrid Becker | Foto: istockphoto.com

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