Tecta D9 Stuhl
Die Ästhetik der endlosen Linie
Die ursprüngliche Bauhaus-Idee des „Schwebens und Schwingens“ wird mit dem D9 von Wolfgang Hartauer weiterentwickelt. Dabei rückt die kluge Geometrie in den Mittelpunkt, die sowohl Körperhaltung als auch ästhetisches Empfinden anspricht. Nach etwa 100 Jahren erhält Marcel Breuer eine zeitgenössische Antwort auf seinen Traum vom Schweben und Schwingen. Der D9 repräsentiert eine neue Entwicklung des Kragstuhl-Vorbilds und kombiniert Opulenz mit totaler Reduktion. Von der Seite betrachtet wirkt er üppig, während er von vorne in charakteristischer Schwebeposition gehalten wird.
„Wir wollten den Kragstuhl von Morgen entwickeln“, erzählt der Konstrukteur Wolfgang Hartauer, „denn die Geschichte des hinterbeinlosen Stuhles ist noch lange nicht zu Ende erzählt.“ Dabei bezieht er sich auf das Kragstuhlmuseum von Tecta, eine außergewöhnliche Sammlung mit Originalen von Breuer, Mies van der Rohe und Prouvé, die für ihn eine Inspirations- und Recherchequelle darstellte. „Mich faszinierte vor allem Marcel Breuers Vision vom schwerelosen Sitzen. Diesen visionären Gedanken, dass man in Zukunft auf einer elastischen Luftsäule sitzen würde, wollte ich aufgreifen und zeitgemäß umsetzen.“
Über einen Zeitraum von zwei Jahren tüftelte Hartauer, konstruierte, verwarf und extrahierte, bis sein dynamischer Entwurf stand. „Ich wollte keinen Konzeptstuhl erstellen, den man nach einer halben Stunde verlässt, um aufs Sofa zu wechseln, sondern ein Möbel, das so bequem ist, dass man auf ihm den Abend ausklingen lässt.“
Der D9 zeigt jene Präzision, die Hartauers Entwürfe auszeichnet. Als Tüftler und Mechaniker unter den Gestaltern, der Tische rollen lässt und Schalen kippen, bleibt er seiner Linie treu. Auch der D9 verheißt Bewegung im besten Sinne: jene vom Schweben und Schwingen.
„Der Schwung ist sowohl nach vorne als auch nach hinten möglich. Das heißt, die Freifläche des Sitzes, die Gestell-Geometrie, begleitet die Körperhaltung und geht mit.“ Der neue Hartauer, bzw. der neue Kragstuhl, knüpft zugleich an das Rohr des Breuer-Stuhles an, der Ästhetik der endlosen Linie.
Die Frage nach dem bequemen Sitzen führte Wolfgang Hartauer nicht nur zu einer ästhetischen Lösung, sondern auch zu einer funktionalen Verbesserung. Der D9 zeigt sich hinten und seitlich in Sichelform, geneigt, jedoch mit einer runden Kante, die den Sitzenden wie einen Schal umfasst. Die Essenz des D9 ist die Reduktion: weniger statt mehr. Doch dazu gesellen sich heute Komfort, Opulenz und Frische – sowie die Überarbeitung einer kleinen Unvollkommenheit. Diejenige, die in früheren Zeiten den Nutzer vom Olymp des Kragstuhl-Sitzens auch mal auf den Boden der Tatsachen stürzen ließ: das Kippmoment nach vorne. „Das Schöne ist, dass wir über die Geometrie dieses Manko beseitigen konnten. Der Schwerpunkt des Körpers wird nach hinten gelegt und befindet sich nicht mehr auf der Vorderkante“, erklärt Hartauer.
So ist der D9 mehr als eine schöne Geste. Er steht für Bauhaus continues im besten Sinne – das Überführen von Traditionen, das Denken an die Zukunft und die Entwicklung der Gegenwart. Dabei ist die Ästhetik nicht nur Verzicht, sondern der Idee von Ästhetik und komfortablem Sitzen gewidmet.